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Einfluss von Corporate Compliance auf den Kapitalmarkt wächst

Wie sich Unternehmen durch Compliance-Reporting einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können.

von Prof. Dr. Christian Hauser


Corporate Compliance und Investor Relations scheinen auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun zu haben. In einer Zeit, in der sich Wirtschaftsskandale häufen, ist Compliance jedoch auch bei Investoren ein verstärkt diskutiertes Thema. Aus diesem Grund kann ein Compliance-Management-System einem Unternehmen zu Wettbewerbsvorteilen auf dem Kapitalmarkt verhelfen. Voraussetzung dafür ist jedoch ein regelmässiges und ausführliches Compliance-Reporting.

Nachholbedarf bei internen Meldestellen

Der jüngst veröffentlichte Whistleblowing Report 2019 verdeutlicht, dass bei Schweizer Unternehmen bezüglich interner Meldestellen Nachholbedarf besteht. Die Studie der HTW Chur in Kooperation mit der EQS Group zeigt zwar, dass immerhin 65% der Schweizer Unternehmen bereits Meldestellen eingeführt haben. Dabei bietet jedoch die Mehrheit der Unternehmen nur einfache Kanäle wie E-Mail oder Telefon für das Melden von Missständen an. Diese Kanäle können nicht vollständig anonym genutzt werden. Die Studie zeigt jedoch auch, dass 58% der Hinweisgeber ihre Erstmeldung anonym abgeben, wenn sie die Möglichkeit dazu haben.

Weitere Ergebnisse und die gesamte Studie sind abrufbar unter www.whistleblowingreport.ch

Kriminelles Handeln wie zum Beispiel die Bestechung eines ausländischen Amtsträgers kann die Erlöse eines Unternehmens kurzfristig erhöhen und dadurch vermeintlich Nutzen stiften. Kommen die Regelverstösse jedoch ans Licht, fügen sie dem Unternehmen erheblichen Schaden zu: Der ökonomische Wert sinkt aufgrund der anfallenden Gerichts- und Anwaltskosten, Buss- und Schadenersatzzahlungen sowie durch den Reputationsverlust. Durch die Einführung eines Compliance-Management-Systems können die Risiken von Regelverstössen gemindert werden. Wichtige Grundvoraussetzung dafür ist das klare und glaubwürdige Bekenntnis der Unternehmensleitung, Regelverstösse nicht zu tolerieren – auch wenn sie vermeintlich für das Unternehmen vorteilhaft erscheinen. Auch die Einführung von spezialisierten internen Meldekanälen wie einem webbasierten Meldesystem gehört zur Best Practice, da diese die Anzahl relevanter Meldungen erhöhen und somit zur Risikoreduzierung beitragen.


Unsicherheiten verringern

Ein effektives Compliance-Management ist auch für bestehende sowie potenzielle Investoren von Relevanz. Denn für sie sind Regelverstösse ein Unsicherheitsfaktor, der ihre Anlageentscheidungen massgebend beeinflussen kann. Allein durch die Einführung eines Compliance-Management-Systems werden diese Unsicherheiten jedoch nicht beseitigt. Es besteht nämlich in vielen Fällen eine Informationsasymmetrie zwischen dem Management und den Investoren in Bezug auf die Corporate Compliance eines Unternehmens – ein klassisches Principal-Agent-Problem. Nur durch gezieltes Compliance-Reporting kann diese Informationsasymmetrie aufgehoben, können Unsicherheiten bei den Investoren beseitigt und die Eigenkapitalkosten im besten Fall gesenkt werden. Dieses spezielle Reporting ist darum ein elementarer Bestandteil von Investor Relations und gehört zum nichtfinanziellen Teil der Berichterstattung im Sinne eines integrierten Reportingansatzes.


Trend zu mehr Reporting erkennbar

Dass die Bedeutung von Compliance-Reporting in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich gestiegen ist, zeigt eine aktuelle Studie. In ihr wurde untersucht, wie sich der Umfang von Informationen zu Compliance, Integrität und Ethik in Geschäftsberichten der DAX30-Unternehmen von 2000 bis 2015 verändert hat. Die Resultate sind eindeutig: Im Jahr 2000 fanden die Begriffe nicht einmal in jedem Geschäftsbericht Erwähnung. 15 Jahre später hingegen wurden die Begriffe pro Geschäftsbericht durchschnittlich mehr als 50 Mal benutzt. Die Ursachen für die umfangreichere Berichterstattung zu Compliance-Themen sehen die Autoren in erhöhten Compliance-Bemühungen bei den Unternehmen und führen diese auf ein gewachsenes gesellschaftliches Interesse sowie veränderte rechtliche Rahmenbedingungen zurück. Eine Studie, die derzeit an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Chur zum Compliance-Reporting in der Schweiz durchgeführt wird, verdeutlicht, dass auch Schweizer Grossunternehmen der Finanzgemeinschaft zunehmend Informationen zur Corporate Compliance zur Verfügung stellen. Eine gesetzliche Offenlegungspflicht gibt es diesbezüglich in der Schweiz jedoch nicht. Das Regulatory Board der SIX Swiss Exchange könnte von kotierten Unternehmen jedoch verlangen, dass Informationen zur Corporate Compliance in die jährliche Berichterstattung aufgenommen werden.


Keine Angst davor, Risiken anzusprechen

Da es sich auch ohne explizite gesetzliche Pflicht lohnt, über die Corporate Compliance zu berichten, wird an dieser Stelle erläutert, was gutes Reporting ausmacht. Wichtig ist, dass sich das Reporting auf die konkreten Compliance-Teilbereiche fokussiert, die aufgrund der Besonderheiten der Geschäftstätigkeit für das Unternehmen auch tatsächlich relevant sind. Zudem muss das Reporting umfassende und aussagekräftige Informationen über das Compliance-Management-System des Unternehmens enthalten. Dabei sollten alle Risiken angesprochen und die zur Steuerung dieser Risiken implementierten Massnahmen erläutert werden. So verschaffen sich Unternehmen insbesondere gegenüber jenen Unternehmen auf dem Kapitalmarkt einen Wettbewerbsvorteil, die Compliance-Risiken und -Massnahmen nicht öffentlich kommunizieren. Ebenso unerlässlich wie der Umfang und die Qualität der Informationen zur Corporate Compliance ist deren Aktualität und Verlässlichkeit. Die Aktualität des Compliance-Reportings ist dann gewährleistet, wenn zusätzlich zum jährlichen Geschäftsbericht auch die Website genutzt wird. Ein eigener Bereich mit Informationen zur Corporate Compliance gehört heute zur Best Practice. Die Verlässlichkeit der Informationen für Investoren kann erhöht werden, indem das Compliance-Management-System eines Unternehmens von einer unabhängigen Stelle nach anerkannten Grundsätzen wie zum Beispiel dem ISO-Standard 19600 «Compliance Management Systems» geprüft wird.


Fazit

Abschliessend kann festgehalten werden, dass potenzielle Investoren trotz Einführung eines Compliance-Management-Systems sich nur dann von den Compliance-Bemühungen eines Unternehmens überzeugen können, wenn ein umfassendes Compliance-Reporting stattfindet. Unter Beachtung der erwähnten Punkte ist diese Art des Reportings ein geeignetes Mittel, Investoren davon zu überzeugen, dass alle rechtlichen Risiken durch adäquate Massnahmen bekämpft und Regelverstösse dadurch verhindert werden. Schweigt ein Unternehmen jedoch ganz zum Thema Corporate Compliance, erhöht dies die Unsicherheiten auf dem Kapitalmarkt – mit der Folge, dass z.B. die Eigenkapitalkosten steigen können.

Prof. Dr. Christian Hauser

Prof. Dr. Christian Hauser

Christian Hauser ist Professor für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und internationales Management am Schweizerischen Institut für Entrepreneurship der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Chur. Seine Forschungsschwerpunkte sind Korruptionsprävention, Business Integrity, International Entrepreneurship, Corporate Governance, KMU-Förderung und Privatsektorenentwicklung.