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Interview mit Start-up-Gründer Dr. Stefan Heitmann

Dr. Stefan Heitmann hat mit MoneyPark und PriceHubble bereits mehrere Start-ups zum Erfolg geführt und engagiert sich als Investor bei Start-ups im In- und Ausland. Für die Reporting Insights sprach Benjamin Kaltwasser mit Dr. Heitmann über die Kapitalbeschaffung von Start-ups, Mechanismen zur Erzeugung von Glaubwürdigkeit und welche Faktoren beim Zukauf von Start-ups zum Umbau etablierter Geschäftsmodelle beachtet werden sollten.

Herr Heitmann, wie verkauft man eine gute Idee?

Mit Leidenschaft und Glaubwürdigkeit!

Wie lange glauben Kapitalgeber ausschliesslich einer Idee?

Die Kapitalgeber, die ich kennen und schätzen lernen durfte, setzen zu 50 Prozent auf eine Idee, und zu 50 Prozent vertrauen sie auf die Stärken der Gründer und des Teams. Während die Bedeutung des Teams nie abnimmt, wird das Grundvertrauen in die Idee über die Zeit durch die kommerziellen Resultate abgelöst. Meiner Erfahrung nach zählen spätestens zwischen Finanzierungsrunde A und B handfeste Resultate deutlich mehr als Ideen.

Wo sehen Sie die grössten Unterschiede in der Kapitalbeschaffung von Start-ups gegenüber kotierten Unternehmen?

Kotierte Unternehmen haben grundsätzlich einen ganzen Strauss an Kapitalbeschaffungsoptionen. Das ist völlig anders im Start-up-Umfeld, wo die Finanzierungsoptionen ungleich eingeschränkter sind und sich de facto auf Eigenkapitallösungen reduzieren, bis das Start-up gewisse Mindestumsatz- oder Profitabilitätsschwellen dauerhaft erreicht hat. Auch innerhalb der Eigenkapitaloptionen ist je nach Maturitätsphase des Start-ups der Optionenrahmen sehr überschaubar. Kurzum: Das Finanzierungsumfeld für Start-ups ist deutlich anspruchsvoller und nicht zuletzt scheitern leider sehr viele Jungunternehmer an fehlender Liquidität.

Gibt es für Start-ups spezielle Mechanismen, um Glaubwürdigkeit zu erzeugen?

Der Katalog ist lang und sicherlich nicht abschliessend, aber für mich zählen ein sehr stark besetztes Gründer- und Managementteam, ein professionelles Set-up im Hinblick auf die rechtliche Struktur, die Dokumentation des Vertragswerks und die Zusammenarbeit der Gründer dazu. Zudem sind ein breit abgestützter Investorenkreis, eine möglichst komfortable Mittelausstattung sowie die Leidenschaft, die es braucht, um sich und die Idee ständig zu hinterfragen und weiterzuentwickeln, besonders wichtig. 

Wie beurteilen Sie die Start-up-Szene in der Schweiz aus Gründer- und Investorenperspektive?

Ich würde sie als anspruchsvoll bezeichnen. Auf der Habenseite steht für mich ein Land mit sehr smarten Köpfen, das viele Ideen hervorbringt, die es verdienen, ihre Start-up-Reise zu beginnen. Auch die öffentlichen Strukturen unterstützen dies vielfach und das Unternehmertum erfährt viel Aufmerksamkeit. Auf der Sollseite hingegen steht aus Investorensicht ein in der absoluten Grösse sehr überschaubarer Markt für die meisten Produkte und Dienstleistungen sowie ein für Start-ups schwieriges Lohnniveau, das dazu noch mit den Salären der angestammten Branchen, wie zum Beispiel der Finanzbranche, mithalten muss. Die hohen Saläre in den etablierten Branchen führen oft dazu, dass viele Talente sich des Salärs wegen dorthin orientieren, nur um Jahre später festzustellen, dass sie hier nichts und gar nichts bewegen können. Aus Gründer- und Investorensicht ist dies sehr zu bedauern.

Wie wichtig ist das disruptive Element für ein Start-up?

Wichtig, sogar sehr wichtig. Ob es immer echte «Disruption» sein muss, wage ich zu bezweifeln. Viele, auch erfolgreiche, Start-ups schreiben sich Disruption auf die Fahne, sind aber am Ende häufig nur inkrementell verbesserte Lösungen zum Status quo. Egal ob es am Ende Disruption ist oder nicht, Start-ups brauchen meines Erachtens glasklar definierte USPs, das heisst einen echten für Kunden, Mitarbeiter und Investoren gleichermassen kommunizierbaren und verständlichen Mehrwert. Das ist enorm wichtig, denn niemand da draussen wartet auf das nächste Start-up, und nirgendwo sonst ist das Wasser so kalt, der Grat zwischen Erfolg und Scheitern so schmal und die Zeitdimension so limitiert. Start-ups kennen nur marginale Fehlertoleranzen. Gerade das macht es so anspruchsvoll, aber auch so ungemein befriedigend. Ich kenne, mit Ausnahme von Hochleistungssport, kein auch nur annähernd vergleichbares Umfeld, das denselben Mix aus Risiko und Reward bieten kann. Dafür lohnt es sich jeden Tag, Unternehmer zu sein.

Viele etablierte Unternehmen versuchen, durch den Zukauf von Start-ups den Umbau des eigenen Geschäftsmodells zu beschleunigen. Wie beurteilen Sie diesen Trend?

Grundsätzlich sehr positiv und für beide Seiten kann das eine echte Win-win-Situation sein. Sehr viele etablierte Unternehmen machen aber leider den Fehler, das Start-up zu «erdrosseln», indem sie ihm die unternehmerische Eigenständigkeit und Freiheit rauben und zu viel Corporate-Prozesse auf einmal verordnen. Häufig geschieht das nicht einmal «böswillig», sondern schlicht mangels Erfahrung im Umgang mit Start-ups. Das ist jammerschade und kann dem Start-up in kürzester Zeit nicht nur jede Agilität, sondern auch die DNA rauben, auf der jeder Erfolg beruht. Darauf sollte jeder Gründer, der sich etablierten Unternehmen anschliesst, im Interesse beider Parteien achten.  

Dr. Stefan Heitmann

Dr. Stefan Heitmann ist Gründer und Verwaltungsratspräsident des auf digitale Lösungen für den Immobilienmarkt spezialisierten Start-ups PriceHubble AG mit Standorten in Zürich, Berlin und Paris. Zudem gründete er den etablierten Hypothekenvermittler MoneyPark AG, für den er als CEO und Vorstandsmitglied tätig ist. Als Investor engagiert sich Stefan Heitmann bei weiteren Start-up-Unternehmen im In- und Ausland. Bis 2012 war er Partner des Beratungsunternehmens McKinsey & Company in Zürich. Stefan Heitmann hält einen Doktortitel in Law & Finance.