Print Friendly and PDF

Offenlegung und Engagement – Erkenntnisse aus der SWIPRA Corporate Governance Umfrage 2019

Die SWIPRA-Umfrage 2019 zeigt grosse Verständnislücken zwischen Investoren und Unternehmen im Bereich der Corporate Social Responsibility. Diese können nicht nur durch eine gehaltvollere Offenlegung geschlossen werden, sondern primär durch einen verbesserten Dialog zwischen den Unternehmen und ihren Stakeholdern.

Sozialverantwortliches Unternehmertum bzw. Corporate Social Responsibility (CSR) oder ESG sind omnipräsent. Aktienportfolios sollen zunehmend grüner und sozialer und damit nachhaltiger werden. Unternehmen publizieren immer umfangreichere ESG-Berichte. Trotzdem, oder vielleicht gerade aufgrund der zunehmenden Informationsflut zu CSR, dem Begriffswirrwarr und einer oftmals fehlenden oder unterschiedlichen Auffassung dazu, ist das gegenseitige Verständnis zum Umgang mit CSR tief. Weniger als 20% der an der Umfrage teilnehmenden Investoren verstehen, wie CSR in den Unternehmensstrategien verankert ist, also konkret, wie die Unternehmen ihre strategischen Ziele erreichen möchten. Die Hälfte der Unternehmen versteht ihrerseits nicht, wie Investoren Informationen zu CSR bei Investitions- und GV-Abstimmungsentscheidungen berücksichtigen.

Diese Verständnislücke kann mit zusätzlicher Offenlegung nur beschränkt geschlossen werden. Als immer wichtiger in diesem Zusammenhang stellt sich der direkte Dialog zwischen den Unternehmen, für diese Themen vertreten durch den Verwaltungsrat, und den Aktionären heraus. Dieser Austausch, sogenannte Engagements, ist nicht mit dem quartalsweise stattfindenden Dialog zwischen Investoren und dem CEO/CFO zur finanziellen Performance zu verwechseln. Engagements dienen gemäss Umfrage der Mehrheit (73.3%) der an diesem Dialog teilnehmenden Investoren primär dazu, die individuelle Situation eines Unternehmens zu verstehen (siehe Abbildung 1) sowie Chancen und Risiken des Geschäftsmodells und der zugrunde liegenden langfristigen Strategie besser einzuschätzen. Zudem gab eine Mehrheit der Investoren (55%) an, dass sie bei Problemen ihrer Portfolio-Unternehmen im Zusammenhang mit CSR primär durch Engagements versuchen, diese Angelegenheiten zu klären. Lediglich 27% der Investoren würden ihre Aktienanteile an diesen Unternehmen aufgrund von CSR-Problemen reduzieren.

Engagements fokussieren jedoch selten auf CSR als isoliertes Thema, lediglich 6.5% der teilnehmenden Unternehmen gaben an, dass CSR das wichtigste Thema ihrer Engagement-Gespräche war. Vielmehr möchten Investoren CSR integriert in den klassischen Governance-Themen wie Strategie, Verwaltungsrats-Zusammensetzung, Vergütung und Auszahlungspolitik reflektiert sehen. Der Dialog setzt entsprechend eine integrierte Sichtweise zu diesen Themen voraus und baut grundsätzlich auf den bereits offengelegten Informationen auf. Diese scheinen bislang jedoch noch nicht ausreichend verfügbar oder gehaltvoll genug zu sein, gaben doch lediglich 22% der Investoren an, dass Verwaltungsräte von Schweizer Unternehmen ihrer Verantwortung im Bereich CSR ausreichend gerecht werden.

Engagements spielen jedoch nicht nur im Bereich CSR eine wichtige Rolle, um Verständnislücken zu schliessen. Sie sind auch für komplexere Themen, wie beispielsweise die Zusammensetzung und Erneuerung des Verwaltungsrats, sehr relevant. Da lediglich ein Drittel der Investoren mit den offengelegten Informationen zur Zusammensetzung und Erneuerung des Verwaltungsrats zufrieden sind, braucht es zusätzliche Informationen, einerseits in Form einer integrierten Offenlegung und andererseits komplementär durch Engagements. Nur so können Investoren an den Generalversammlungen ihre Verwaltungsräte auch informiert wählen. Eine ähnliche Situation zeigt sich im Bereich «Pay for Performance». Auch hier stösst die Offenlegung an ihre Grenzen: Nur gerade etwas über 13% der Investoren waren mit der diesbezüglichen Offenlegung, die in der Vergangenheit immer umfangreicher wurde, wirklich zufrieden. In beiden Fällen empfiehlt es sich deshalb, die Offenlegung wenn möglich durch einen direkten Dialog zu ergänzen.

Abbildung 1: Gründe für die Durchführung von Engagements Quelle: SWIPRA Corporate Governance Umfrage 2019, Sample: Investoren

Abbildung 1: Gründe für die Durchführung von Engagements
Quelle: SWIPRA Corporate Governance Umfrage 2019, Sample: Investoren


Governance Engagements bilden ergänzend zu einer qualitativ hochstehenden Offenlegung die Grundlage für einen langfristig orientierten und vertrauensbildenden Austausch zwischen Aktionären und dem Verwaltungsrat. Die Mehrheit der Investoren (60%) sieht diesen Dialog als wertgenerierend und bereits in einer früheren Umfrage haben 62% der Unternehmen angegeben, dass Engagements grundsätzlich einen positiven Einfluss auf das Abstimmungsverhalten von Aktionären haben. Sie wirken auch präventiv für mögliche strittige (aktivistische) Situationen. Für Unternehmen, insbesondere für deren Verwaltungsrat, lohnt es sich, die Kommunikation mit ihren Aktionären auf eine andere Ebene zu setzen und die generelle Offenlegung mit einem direkten, übergeordneten Dialog zu Strategie, Governance und CSR mit den wichtigsten Aktionären und zunehmend auch anderen Anspruchsgruppen zu ergänzen.  

Zur SWIPRA Corporate Governance Umfrage

In Zusammenarbeit mit einem Forscherteam des Instituts für Banking und Finance der Universität Zürich unter der Leitung von Dr. Christoph Wenk Bernasconi werden jährlich sämtliche Unternehmen des Swiss Performance Index SPI® sowie institutionelle Investoren aus dem In- und Ausland zu Corporate Governance und Corporate Social Responsibility in der Schweiz befragt. Im Umfragezeitraum 2019 (August/September) haben 78 an der Schweizer Börse kotierte Schweizer Unternehmen und 77 institutionelle Vermögensverwalter sowie Asset Owners aus dem In- und Ausland teilgenommen. Die Umfrage wurde 2019 zum siebten Mal durchgeführt.


Über SWIPRA Services

SWIPRA Services erbringt Dienstleistungen im Bereich der Corporate Governance für börsenkotierte Unternehmen und deren Verwaltungsräte sowie für institutionelle Investoren. Wir arbeiten mit unseren Kunden mit dem Ziel der langfristigen Steigerung des Unternehmenswerts, basierend auf Prinzipien des wertorientierten Managements und empirisch relevanten Kriterien. SWIPRA Services ist exklusiver Partner von Morrow Sodali in der Schweiz.

 
Foto_Heller.jpg

Barbara A. Heller, MBA

ist Managing Partner bei SWIPRA Services AG, einem Schweizer Corporate-Governance-Spezialisten und Beratungsunternehmen für Verwaltungsräte und institutionelle Anleger, sowie Konsulentin bei Lemongrass Communications AG, beide in Zürich. Frau Heller ist Mitglied des Verwaltungsrates und Vorsitzende des Prüfungsausschusses der Bank Cler AG (SIX: BC), Basel, Vizepräsidentin des CFO Forums Schweiz und Vorsitzende der Jury des CFO Awards Switzerland.

Foto_Wenk_cut.jpg

Dr. Christoph Wenk Bernasconi

ist Partner bei SWIPRA Services und wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent im Bereich Corporate Finance und Corporate Governance am Institut für Banking und Finance der Universität Zürich.