Interview mit Jörg Riboni, CFO des Schweizer Milchverarbeiters Emmi und ausgezeichnet mit dem Titel «CFO of the Year 2017»
Von Kristin Köhler & Reto Schneider
Köhler/Schneider: Gratulation! Wie wird man CFO des Jahres? Was bedeutet Ihnen der Titel?
Riboni: Es ist eine tolle Auszeichnung für das gesamte Finanz-Team, über die wir uns sehr gefreut haben. Damit wird die Leistung des Teams – und nicht nur die von mir – honoriert. Gleichzeitig wird auch Emmi als Firma ausgezeichnet und von aussen positiv wahrgenommen. Wir tätigten einige erfolgreiche Akquisitionen in den letzten Jahren und konnten dabei trotz eines schwierigen Marktumfelds unsere Profitabilität weiter stärken.
Hat sich Ihre Rolle in den letzten Jahren gewandelt?
Auf jeden Fall. Die Aufgabe des CFOs ist breiter und unternehmerischer geworden. Zum einen kommen neben den klassischen Themen – Treasury, Controlling etc. – immer mehr Finanzfunktionen hinzu, die vom CFO gemanagt werden müssen. Zum anderen ist man als CFO heute Sparringspartner des CEO und der Divisionsleiter. Man arbeitet aktiv an der Unternehmensstrategie mit und stellt sicher, dass diese Finance-seitig sinnvoll und umsetzbar ist. Die Rolle des CFO ist vor ein paar Jahren noch eine andere gewesen – der klassische Finanzer hat sich um die Zahlen gekümmert und war weniger Manager oder Sparringspartner.
Was sind aktuelle Herausforderungen in Ihrem Job, für Finance allgemein?
Wie lange haben Sie Zeit? (lacht) Die grösste Herausforderung ist natürlich unsere Marktsituation per se. Der Markt, insbesondere in der Schweiz, stagniert. Wir bewegen uns gleichzeitig in einem Umfeld, in dem die Margen unter enormem Druck stehen. Das merken wir top- und bottom-line. Wir versuchen, durch eine gezielte Nischenpolitik im Ausland zu wachsen. Das ist herausfordernd, aber aus strategischer Sicht attraktiv. Der Shift des Portfolios von eher generischen zu mehr Markenprodukten ist eine grosse Chance in unserem Geschäftsumfeld, die Finance ganz wesentlich mit zum Erfolg führen kann, indem wir unter anderem Planung, Kontrolle, Rentabilitätsberechnungen und Szenario-Analysen übernehmen.
Auf der fachlichen Seite gibt es natürlich weitere Herausforderungen. Wir haben begonnen, das Value-Management-Konzept einzuführen. Das ist an sich von technischer Seite kein kompliziertes Thema, jedoch müssen die Mitarbeiter dieses verstehen, akzeptieren und verinnerlichen. Daran arbeiten wir. Zudem haben wir begonnen, unser Reporting entsprechend dem Value Management umzustellen. Auch das ist für Emmi grundsätzlich kein Problem. Aber wir haben in den letzten Jahren stark zugekauft. Auch diese meist kleineren Unternehmen müssen bei der Umstellung mitgenommen und die Systemlandschaft muss insgesamt harmonisiert werden. Neue Konzepte können von daher nur langsam umgesetzt werden und alle Involvierten müssen vom Mehrwert überzeugt und an Bord geholt werden. Ein weiteres sehr wichtiges Thema sind, wie auch bei anderen Unternehmen, die Operational-Excellence-Massnahmen. Uns wird sicher nicht langweilig. (lacht)
Inwiefern ist Digitalisierung ein Thema?
Wir sind bei der Digitalisierung im Finanzbereich bereits ziemlich weit fortgeschritten. Es ist sicher ein sehr spannendes Thema, aber eines, das wir recht gut im Griff haben. Für uns spielt Digitalisierung in der gesamten Wertschöpfungskette, vor allem im Bereich der Produktion – Stichwort Industrie 4.0 –, aber natürlich auch beim Marketing und bei der Absatzpolitik eine Rolle. Das Thema wird immer wichtiger und wir als Emmi nehmen es sehr ernst.
Das rollende Reporting wird aktuell propagiert. Wo stehen Sie im Bereich der internen Unternehmensberichterstattung?
Wir sind in den letzten Jahren sehr stark gewachsen, in einigen Tochtergesellschaften haben wir jedoch noch immer mittelständische Strukturen. Die Anpassung dauert natürlich eine gewisse Zeit. Ich bin aber sehr optimistisch, dass wir gut vorankommen. Wir haben kürzlich unser Quartals- auf ein Monatsreporting umgestellt. Das ist noch keine tagesaktuelle Berichterstattung, aber da kommen wir hin. Unser Reporting ist qualitativ auf einem sehr guten Stand. Das braucht man, um aktiv die Gruppe, unsere Divisionen und Töchter finanziell zu führen. Das Wichtigste beim Reporting ist die interne Steuerung. Nicht Reporting des Reportings wegen, sondern die Erhebung der unternehmensspezifisch geeigneten KPIs, um Emmi strategisch zu führen. Das ist dann auch die Grundlage für die externe Kommunikation, aber primär geht es um die aktive Unternehmensführung. Reporting ist bei uns ein wichtiges Führungsinstrument.
Welche Rolle spielt das externe Reporting in Ihrem Unternehmen?
Das externe Reporting ist für uns als börsenkotiertes Unternehmen natürlich von Bedeutung. Wir verstehen es nicht nur als Pflicht, die uns von der Börse vorgegeben wird, sondern wollen Transparenz schaffen. Informationen, die offengelegt werden, müssen sinnvoll sein und gebraucht werden. Transparenz ist wichtig, dennoch muss der Spagat zwischen wertvoller Offenlegung und überbordenden Informationen gemacht werden. Schon jetzt haben wir die Situation, dass sich Unternehmen einem enormen Regelwerk an geforderten Informationen gegenübersehen. Ausschlaggebend ist für uns, dass entscheidungsrelevante Informationen offengelegt werden. Wir setzen dabei auf Swiss GAP FER und werden auch weiterhin daran festhalten. Unser externes Reporting richtet sich zudem primär an unsere Aktionäre im Streubesitz, die nicht zum Ankeraktionär gehören, der im Verwaltungsrat sitzt.
Für wen ist der Geschäftsbericht?
Er ist primär für unsere Aktionäre, aber auch ein Präsentationstool und eine Visitenkarte, welches das Unternehmen unseren Kunden und weiteren Stakeholdern bereitstellt. Für Mitarbeiter haben wir andere Tools, mit denen wir versuchen, Informationen über das Unternehmen weiterzugeben. Die Mitarbeiter stehen bei Emmi im Mittelpunkt. Wir praktizieren einen kooperativen Führungsstil. Die Emmi-Werte werden bei uns gelebt. Das versuchen wir auch im Geschäftsbericht zu transportieren. Schön, wenn uns das gelungen ist. Der Mitarbeiter soll nicht durch den Geschäftsbericht angesprochen werden, aber die Werte sollen durch den GB an unsere Kunden und Investoren transportiert werden. Die meisten Nutzer gehen inzwischen online und rezipieren den Bericht dort. Aktuell drucken wir noch, das wird aber sicher weiter zurückgehen.
Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeitsberichterstattung bei Emmi?
Das ist bei uns keine Modeerscheinung. Bei Emmi gibt es intern eine ganze Reihe von Initiativen, um Nachhaltigkeit auf breiter Basis zu verankern. Jeder Mitarbeiter muss verstehen, was Emmi unter Nachhaltigkeit versteht und was wir erreichen wollen. Wir haben in den letzten Jahren deutliche Fortschritte im Nachhaltigkeitsbereich gemacht, zum Beispiel bei der CO2-Reduktion, bei den Verpackungen in Form von Material, Grösse, Wiederverwendung und natürlich bei der Nahrung selber, z.B. mit Organic Food. Nachhaltigkeit muss sich finanziell niederschlagen. Es ist keine Kür, sondern essenziell für unser Business und ein Differenzierungskriterium in unserer Branche. Nachhaltigkeit betrifft die gesamte Wertschöpfungskette. Sie ist auf Strategieebene bei Emmi verankert und vom Verwaltungsrat verabschiedet. Entsprechend sind auch Ressourcen vorhanden, um Nachhaltigkeit operativ umzusetzen. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung folgt dabei dem Management. Wir erfassen, inwiefern sich unsere Aktivitäten im Bereich Nachhaltigkeit finanziell auszahlen. Wir wollen wissen, was es bringt! Was wir nicht wollen – intern oder extern –, ist, dass Nachhaltigkeit als Add-on angesehen wird.
Lassen Sie uns doch kurz in die Zukunft schauen: Wie sieht Ihr Job 2025 aus?
Dann bin ich am Fischen! (lacht) Digitalisierung wird noch weitergehen, sowohl die der Basis- als auch der peripheren Systeme. Es wird einfacher werden, Zahlen der Tochterunternehmen zu konsolidieren und Systeme zu integrieren. Reporting wird auf einer übergeordneten Plattform laufen und eine grosse Erleichterung bringen. Reporting wird zudem nicht mehr in einzelne Zeitabschnitte unterteilt sein, sondern das rollende Reporting – und das rollende Forecast – werden Realität sein. So weit sind wir heute noch nicht, aber 2025 werden wir dort sein. Planung und Reporting werden viel stärker integriert und vernetzt sein. Wir sind beim Forecasting auch heute schon recht weit. Chancen und Risiken betrachten wir auch unterjährig und machen Sensibilitätsanalysen. Durch IT-Unterstützung wird dies sicher weiter vereinfacht werden. Ich bin skeptisch, ob mehr Transparenz kommt und überhaupt wünschbar ist. Die Informationen müssen ja auch verarbeitet werden. Wir müssen heute schon Informationen offenlegen, bei denen ich manchmal denke: Wer liest und wer versteht das?
Was würden Sie der jungen Generation mitgeben, die heute in die Arbeitswelt drängt und auch einmal CFO werden will?
Eine gute Ausbildung ist ein Rucksack, den einem niemand mehr wegnimmt. Dabei muss man nicht unbedingt Wirtschaftswissenschaften studieren, viel wichtiger sind die Erfahrungen, die man in seinem Berufsleben sammelt. Diese sollten natürlich primär im Finanzbereich gemacht werden, wenn man die Rolle als CFO anstrebt. Eine solide Ausbildung und das «Learning on the Job» bilden die Grundlage. Bestimmte Fähigkeiten kann man jedoch nur schwer lernen, entweder man hat sie oder eben nicht, um z.B. die Rolle eines Sparringspartners für das Business einzunehmen.
Was macht der «CFO of the Year» in seiner Freizeit, wenn er sich nicht mit Finance beschäftigt?
Ich versuche möglichst viel Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen – im Winter beim Skifahren, im Sommer in den Bergen. Oldtimer-Fahren ist zudem ein Hobby von mir, wenn es die Zeit zulässt.
Herzlichem Dank, Herr Riboni, für den spannenden Austausch und die Einblicke, die Sie uns gewährt haben.