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Transformation und Innovation: Ein Gespräch mit der CFO der Ringier AG über die Herausforderungen und Erfolge in der digitalen Ära
Ringier ist ein innovatives, digitalisiertes und diversifiziertes Schweizer Medienunternehmen, tätig in Europa und Afrika. Mit rund 140 Gesellschaften umfasst das Portfolio führende Medienmarken, Sports-Media- Plattformen, Ticketing und Entertainment-Angebote sowie digitale Marktplätze (Jobs, Immobilien und Autos). 2023 erzielte Ringier mit 6.600 Mitarbeitenden in 20 Ländern 918,9 Mio. CHF Umsatz, 83% des operativen Gewinns stammen aus dem digitalen Bereich.
Von Anna Kremer mit Annabella Bassler
Seit 2007 arbeiten Sie im Finanzbereich Ringier AG, den Sie seit 2012 als Chief Financial Officer leiten. Wie haben sich die Aufgaben in Ihrer Funktion als Finanzchefin in dieser Zeit verändert?
Seit meinem Eintritt bei Ringier und meiner Ernennung zum CFO haben sich meine Aufgaben erheblich entwickelt - geprägt war meine Tätigkeit aber seit Beginn der Transformation unserer Gruppe. Anfangs lag der Fokus auf traditionellen Finanzaufgaben wie Buchhaltung und Berichterstattung. Mit der zunehmenden Digitalisierung sind strategische Entscheidungen noch stärker datenbasiert und technologiegetrieben. Effizienzsteigerungen durch Automatisierung und KI sowie der Fokus auf Nachhaltigkeit und Diversität prägen meine Rolle heute. Die enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Geschäftsbereichen und Leadership-Qualitäten sind entscheidend, um Wachstumsmöglichkeiten zu identifizieren und die Gesamtstrategie mitzugestalten.
“CFOs müssen ihre Rolle neu definieren und technologische Leadership-Skills entwickeln.”
Wo sehen Sie mittelfristig die grössten Herausforderungen auf den Führungsbereich der CFOs zukommen?
Mittelfristig sehe ich die grössten Herausforderungen in der Integration von KI in Finanzprozesse. CFOs müssen sicherstellen, dass ihre Teams die nötigen Fähigkeiten besitzen, um diese Technologien zu nutzen und zu verwalten. Ethische und regulatorische Herausforderungen sowie die Sicherstellung der Datenintegrität werden komplexer. CFOs müssen ihre Rolle neu definieren und technologische Leadership-Skills entwickeln, um ihre Teams erfolgreich durch diesen Wandel zu führen.
Zwischen 2014 und 2021 verantworteten Sie neben Ihren Aufgaben als CFO auch die Aktivitäten von Ringier in Rumänien und restrukturierten das Unternehmen in ein profitables, modernes Medienunternehmen. Was waren mit Blick auf die soziale Verantwortung die grössten Herausforderungen?
Die grösste Herausforderung bestand darin, wirtschaftliche Rentabilität und soziale Verantwortung in Balance zu halten. Arbeitsplätze zu sichern und Mitarbeitende durch den Restrukturierungsprozess zu führen, war entscheidend. Wir mussten moralisch vertretbare und nachhaltige Geschäftspraktiken sicherstellen und in soziale Projekte investieren, um das Vertrauen der Gemeinschaft zu stärken.
Wo sehen Sie als Mitglied im Verwaltungsrat verschiedener Unternehmen die grössten Herausforderungen, die in den nächsten drei bis fünf Jahren auf die strategische Unternehmensführung zukommen?
Die grössten Herausforderungen sehe ich in der Digitalisierung und der Technologieintegration. Unternehmen müssen sich kontinuierlich an Entwicklungen wie KI, Automatisierung und Big Data anpassen und gleichzeitig Cyber-Sicherheit gewährleisten. Soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit werden zunehmend wichtig, ebenso der Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte und die Anpassung an globale Unsicherheiten und geopolitische Risiken.
Bei Ringier zählen Sie zum Team, das die digitale Transformation der Gruppe vorantreibt. Wo sehen Sie die grössten Stärken und Schwächen der Digitalisierung in Unternehmen und Gesellschaft?
Bei uns war die Transformation kein «Nice-to-have», sondern eine «Must Win Battle», was uns äusserst erfolgreich gelungen ist. Uns ist am Anfang vorgeworfen worden, dass die Multiples zu hoch gewesen seien, dies kann in der Retroperspektive nicht bestätigt werden. Digitalisierung bietet enorme Chancen für Transparenz und Kommunikation. Der Schlüssel dazu sind kompetente Mitarbeitende und eine strategische finanzielle Steuerung. Investitionen in Technologie und Personal sind entscheidend für den Erfolg. Gleichzeitig bringt die Digitalisierung Herausforderungen in Bezug auf Datenschutz und Sicherheit mit sich.
Wie gehen Sie vor, um sich persönlich für Ihre strategischen und operativen Aufgaben à jour zu halten?
Ich setze auf lebenslanges Lernen, besuche Kurse, Seminare und Konferenzen – sei es offline oder online – und lese Fachliteratur und Branchenberichte. Der Austausch mit Kolleg/-innen und Expert/-innen sowie das Ausprobieren neuer digitaler Tools und Plattformen sind ebenfalls wichtig, um technologische Entwicklungen im Blick zu behalten.
Wie erarbeitet sich Ringier mit visionärem und kreativem Handeln strategische Marktvorteile jenseits der Compliance?
Ringier setzt auf digitale Transformation, strategische Diversifizierung und internationale Expansion. Mit einem digitalen EBITDA-Anteil von 83% gehört Ringier zu den digitalsten Medienunternehmen in Europa. Kooperationen mit Technologiepartnern wie Palantir und Investitionen in Innovationen stärken unsere Wettbewerbsfähigkeit. Eine agile Unternehmenskultur ermöglicht schnelle Anpassungen an Marktveränderungen und schafft neue Geschäftsmöglichkeiten.
Wie geht Ringier mit den Chancen und Risiken um, die sich aus den immer umfangreicheren Anforderungen an das ESG-Reporting ergeben, insbesondere auch den «S-Faktoren»?
ESG ist bei Ringier ein zentrales Thema, besonders der soziale Aspekt. Initiativen wie EqualVoice fördern Diversität und Gleichberechtigung. Der EqualVoice Factor misst die Sichtbarkeit von Frauen in unseren Medien und trägt zur Chancengleichheit bei. Durch solche Massnahmen können wir ESG-Anforderungen erfüllen und einen positiven sozialen Beitrag leisten.
“Initiativen wie EqualVoice fördern Diversität und Gleichberechtigung.”
Im Jahr 2019 initiierten Sie die EqualVoice Initiative von Ringier, mit dem Ziel, Frauen in der Medienberichterstattung sichtbarer zu machen und die Gleichwertigkeit von Frauen und Männern zu fördern. Was hat Sie zu diesem Engagement bewogen?
Ein persönliches Erlebnis, bei dem ich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf thematisierte, motivierte mich. Die Resonanz auf meine Geschichte zeigte mir, dass wir alle Rollenmodelle sein können. Sichtbarkeit und Gleichberechtigung sind daher zentrale Ziele von EqualVoice.
Welche Ergebnisse konnten Sie mit der Initiative in den letzten fünf Jahren erreichen, worauf sind Sie besonders stolz?
Mit EqualVoice haben wir die Sichtbarkeit von Frauen in den Medien deutlich erhöht. Der EqualVoice Factor zeigt positive Entwicklungen, z. B. bei der Handelszeitung von 17% auf 30%. Die Initiative hat sich international verbreitet und das Thema Gleichstellung in den Fokus gerückt. Intern hat EqualVoice eine sachliche Diskussion über Gleichberechtigung angestossen. Aktuell arbeiten 32 Medienmarken in 7 europäischen Ländern, die gemeinsam mehr als 50 Mio. User erreichen, mit dem EqualVoice Factor.
Nach dem Sieg des Eurovision Song Contest 2024 in Malmö brachte Nemo auch mit seinem Treffen mit Bundesrat Beat Jans die Anerkennung eines dritten Geschlechts aufs Tapet. Wie wird dieses Thema im Rahmen der Equal Voice Initiative gehandhabt?
EqualVoice fördert die Sichtbarkeit vielfältiger Geschlechtsidentitäten und setzt sich für Gleichberechtigung und Diversität ein. Wir arbeiten daran, auch das dritte Geschlecht in der Messung unserer Berichterstattung abzubilden.
Welches Erlebnis mit der EqualVoice Initiative hat Sie am stärksten bewegt?
Besonders bewegend waren die Präsentation beim UN Institute of Peace in New York und die EqualVoice Summits. Hochkarätige Gäste wie Amal Clooney, Amy Macdonald, Geena Davis und Anastacia haben unsere Veranstaltungen bereichert und gezeigt, wie wichtig und einflussreich unsere Initiative ist.
Wie erleben Sie die Diskussion über die unterschiedlichen Lebensentwürfe der Generationen von Boomer bis Z bei Ringier oder konkret in Ihrem Team?
Die Diskussion über unterschiedliche Lebensentwürfe der Generationen bei Ringier ist bereichernd und inspirierend. Der Austausch fördert ein tieferes Verständnis füreinander und bringt vielfältige Perspektiven in unsere Projekte ein. Diese Vielfalt ermöglicht es uns, innovativ und flexibel auf die Bedürfnisse eines breiten Publikums einzugehen.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wo holen Sie sich Inspiration?
Meine Inspiration ziehe ich aus Gesprächen mit Kollegen/-innen und Mentoren/-innen, Fachliteratur und Nachrichten sowie der Beobachtung von Trends und Innovationen. Besonders aktuell beschäftigen wir uns intensiv mit Artificial Intelligence und probieren verschiedene Tools aus, um neue Ideen zu entwickeln.
Zur Person: Dr. Annabella Bassler
ist seit Juni 2012 CFO der Ringier AG. 2007 startete sie bei Ringier und hatte verschiedene Führungspositionen im Finanzbereich inne. Sie ist Mitglied des Verwaltungsrates in verschiedenen Ringier Gesellschaften. Annabella Bassler initiierte 2019 die Ringier EqualVoice Initiative, die sich für mehr Sichtbarkeit von Frauen in den Medien einsetzt.