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Nachhaltigkeitsreporting –reiner Kostentreiber oder auch Chance für eine zukunftsweisende Unternehmenssteuerung?
Nicht nur die Abteilungen für Nachhaltigkeit und das externe Reporting, sondern auch das Controlling sollte eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der regulatorisch geforderten Berichterstattung spielen. Insbesondere in Anbetracht der neuen verpflichtenden Anforderungen an die externe Berichterstattung in der EU ist es an der Zeit, das Nachhaltigkeitsmanagement ganzheitlich aus der Perspektive des Controllings neu zu denken.
Von Jens Reissmann
Nachhaltigkeit – ein Thema, das einerseits als entscheidender Treiber für den langfristigen Erfolg von Unternehmen gilt und andererseits in den Finanzabteilungen vieler Firmen kontrovers diskutiert wird. Für die EU-Regulierer ist klar, dass Nachhaltigkeit und Finanzen zukünftig zusammen betrachtet werden müssen. Allerdings sehen viele Unternehmen diese Regulierung hauptsächlich als Belastung und zusätzlichen Kostenfaktor. Die Verantwortung für das ESG-Reporting und die dazugehörigen Prozesse und Systeme liegt nach wie vor grösstenteils ausserhalb der Finanzfunktion. Nachhaltigkeit wird dadurch faktisch als separates Thema behandelt. Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zwischen Nachhaltigkeit und finanzieller Performance werden daher nicht ausreichend berücksichtigt, was zu Silodenken führt und ineffiziente Organisationen und Prozesse zur Folge hat.
«Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zwischen Nachhaltigkeit und finanzieller Performance werden nicht ausreichend berücksichtigt.»
Die EU-Taxonomie-Verordnung sowie insbesondere die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen. Es werden nicht nur Indikatoren zur Messung der Performance von Umwelt- und sozialen Aspekten gefordert, sondern ebenso detaillierte Angaben zu Strategien, geplanten Massnahmen und Zielen und vor allem den damit verbundenen finanziellen Aufwendungen und Investitionen. Es handelt sich also um viel mehr als ein reines Reporting und bedingt daher nicht nur den Aufbau neuer Systeme zur Erfassung, Aufbereitung und Reporting der Parameter, sondern ebenso von Prozessen und ggf. Systemen zur Planung und Steuerung.
Diese aktuell regulatorisch getriebenen Veränderungen stellen auch für Unternehmen mit einer langen Historie an Nachhaltigkeitsmanagement und -berichterstattung eine signifikante Herausforderung dar. Diese können nur in enger Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Funktionen – insbesondere Finanzen und Nachhaltigkeit – effizient gelöst werden. Wenn dabei der Schwerpunkt allerdings lediglich auf Berichts-Compliance gelegt wird, sind Mehrkosten ohne Gegenwert zu erwarten. Betrachtet man die geforderten Themen allerdings aus Perspektive des Controllings, lassen sich nicht nur Chancen für eine effizientere Umsetzung erkennen, sondern es ergeben sich darüber hinaus Ansatzpunkte zur Werterhaltung und -schaffung für das Unternehmen.
Effiziente Umsetzung der Anforderungen durch Integration in bestehende Systeme & Prozesse
Viele der Prozess- und Systemherausforderungen erinnern an ähnliche Themen, die im Controlling seit vielen Jahren bearbeitet und gelöst werden. Im Zentrum steht dabei der Aufbau von multidimensionalen Business-Intelligence-Lösungen, die nicht nur funktionale Silos bedienen, sondern die Daten mehrerer Domains miteinander verknüpfen und anhand klar strukturierter Berichtsobjekte (Produkte, Märkte, Organisationen) für die Unternehmenssteuerung analysierbar machen. Die Grundlage dafür bilden ein gutes Stammdatenmanagement sowie möglichst effiziente Prozesse, die die Datenerfassung und -aufbereitung automatisiert und fehlerresistent sicherstellen. In diesen Themen hat die Controllingfunktion vieler Unternehmen einen klaren Wissens- und Erfahrungsvorsprung aus der Aufbereitung der transaktionalen Finanzdaten (Accounting). Wenn Umweltparameter wie Tonnen an CO2-Emissionen oder Kubikmeter Wasserverbrauch lediglich als «alternative Bewertungsszenarien» betrachtet werden, können viele der etablierten Prozess- und Systemdesigns übernommen werden. Auch die Organisation der Kommunikation und Konsolidierung in globalen Organisationen kann entlang der bereits etablierten Prozesse effizient gestaltet werden.
«In diesen Themen hat die Controllingfunktion vieler Unternehmen einen klaren Wissens- und Erfahrungsvorsprung aus der Aufbereitung der transaktionalen Finanzdaten.»
Darüber hinaus ist das Controlling in der Lage, stets die Verknüpfung zu der finanziellen Performance herzustellen, sodass die nichtfinanzielle Steuerung zukünftig nicht losgelöst, sondern als integrativer Bestandteil einer Unternehmenssteuerung gesehen werden kann. Dafür ist vor allem eine konsequente Integration der nichtfinanziellen Themengebiete auf Prozessebene (strategische und operative Planung, Reporting) notwendig. Durch die konsequente Betrachtung der priorisierten, materiellen Nachhaltigkeitsthemen in allen wesentlichen Entscheidungsprozessen (zum Beispiel Kapitalallokation, Strategische Planung und Operationalisierung, Zielsetzung, Massnahmen- und Performance-Tracking) können sowohl die Implikationen als auch die potenziellen Trade-offs und die benötigten finanziellen Ressourcen transparent gemacht und proaktiv statt reaktiv behandelt werden. Die Verantwortung für die Gestaltung und Durchführung dieser Prozesse obliegt in der Regel dem Controlling, weshalb es hier eine führende Rolle einnehmen sollte, um das Entstehen separater, nichtintegrativer Prozesse zum Nachhaltigkeitsmanagement zu vermeiden.
Wertbeitrag durch strukturiertes Chancen- und Risikomanagement
Die Akzeptanz der Controllingfunktion als entscheidungsunterstützender Business Partner in vielen Managementteams bildet darüber hinaus die Basis für die Integration der Nachhaltigkeitsaspekte in ein strukturiertes Chancen- und Risikomanagement. Die in der Wesentlichkeitsanalyse gemäss CSRD geforderte Betrachtung der Interaktionen und Abhängigkeiten sollte dabei nicht als Aufgabe zur Minimierung der Berichtsinhalte, sondern als strukturierter Prozess zur Identifikation operativer und vor allem strategischer Chancen und Risiken gesehen werden.
Grundlage eines solchen wertstiftenden Prozesses ist zunächst ein solides Verständnis des Geschäftsmodells, inklusive der benötigten Wertschöpfungskette und des kompetitiven und regulatorischen Umfeldes. Gekoppelt mit dem Verständnis der Wertströme und -treiber des Unternehmens können die relevanten Themenfelder durch das strategische Controlling in der Regel schnell identifiziert werden. Als nächsten Schritt ist es notwendig, die konkreten Risiken mit ihren jeweiligen Triggern zu identifizieren. Dabei sollten natürlich nicht nur potenziell steigende Kosten, sondern auch Umsatzrisiken durch sich verändernde Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Diese sollten anschliessend konsequent wie oben beschrieben in die bestehenden Prozesse der strategischen und operativen Steuerung integriert werden, um die notwendigen Strategien und Massnahmen für die Organisation transparent zu managen. Auch hier steht vor allem die integrative Betrachtung der Themen im Vordergrund. Durch die gleichzeitige Berücksichtigung von finanziellen und nichtfinanziellen Parametern und KPIs ist das Controlling in der Lage, eine ganzheitliche Entscheidungsfindung zu unterstützen. Einem «Kampf um Aufmerksamkeit» zwischen Finanz- und Nachhaltigkeitsaspekten wird von vornherein entgegengewirkt.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Controllingfunktion dazu prädestiniert ist, die eingangs beschriebene Kontroverse aufzulösen. Durch die Integration in bereits bestehende Prozesse und Systeme sorgt sie für eine effiziente Umsetzung der Anforderungen mit möglichst geringen zusätzlichen Kosten. Des Weiteren ist die strukturierte und konsequente Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsaspekte in den Steuerungsprozessen nicht nur eine solide Basis für das geforderte Berichtswesen, sondern dient vor allem dem Management der Chancen und Risiken, die sich aus den verschiedensten Nachhaltigkeitsaspekten ergeben. Damit trägt sie direkt zum Werterhalt / zur Wertsteigerung des Unternehmens bei.
Key Take-Aways
Aktives Nachhaltigkeitsmanagement ist mehr als das Erfüllen von Compliance-Anforderungen
Die durch die neue EU-Regulatorik getriebenen Herausforderungen liegen vor allem in der Prozess- und Systemintegration mit starken Interdependenzen zu Performance-Management-Themen und -Inhalten.
Die Nutzung der Prozess- und Systemdesign-Expertise der Controllingfunktion ermöglicht eine effiziente Umsetzung der Berichtsanforderungen.
Durch die Integration der Nachhaltigkeitsthemen in die Unternehmenssteuerung kann die Controllingfunktion Wert schaffen und die Grundlagen für das regulatorische Reporting synchron ebenfalls abdecken.
Jens Reissman
hat mehr als 25 Jahre Erfahrung in Design und Umsetzung von strategischen und operativen Steuerungsprozessen und den unterstützenden Systemen. Zuletzt leitete er das Projekt zur Implementierung der Anforderungen der CSRD und EU-Taxonomie bei der Bayer AG.
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