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Das Corporate Reporting mit der Kommunikationsstrategie verbinden

Neue Studie an der Universität Leipzig beschreibt Integrationspotenziale für die Praxis

Die Unternehmensberichterstattung wird häufig primär als Praxis der Pflichterfüllung betrachtet, weniger als strategisches Kommunikationsinstrument. Durch eine Abstimmung mit der Kommunikationsstrategie besteht aber die Chance, den Impact des Corporate Reportings zu erhöhen. Das zeigt eine aktuelle Studie an der Universität Leipzig.


von Yannick Schmiech




Wer einen Kommunikationsmanager nach den bedeutendsten Instrumenten der Unternehmenskommunikation fragt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Antwort nicht erhalten: der Geschäftsbericht. Wenig überraschend, zeigte doch der Corporate Reporting Monitor jüngst: Nur knapp ein Drittel der Unternehmen stimmt das Reporting formell mit der Kommunikationsstrategie ab. Zwar werden hohe Ausgaben für die Berichterstellung aufgewendet, über seine Funktion als standardisierter Informationsträger hinaus wird das Reporting seitens des Kommunikationsmanagements allerdings eher stiefmütterlich behandelt.


Dabei kann das Corporate Reporting als «Spiegelbild» der gesellschaftspolitischen Agenda betrachtet werden. Die Aufmerksamkeit verschiedenster Stakeholder für die in den Berichten kommunizierten Unternehmensinformationen ist grösser denn je – allem voran in den Bereichen Nachhaltigkeit und Governance (bspw. Vorstandsvergütung). Die Interessen der Stakeholder prägen daher auch die Agenda des Reportings. Teils verpflichtend, teils freiwillig werden die Berichte innerhalb dieses Spannungsfelds sowohl quantitativ als auch qualitativ stetig umfänglicher. Unternehmensberichte legen heute auch nicht mehr bloss retrospektiv Rechenschaft ab. Neben den Bilanzen des vergangenen Handelns umfassen sie ausführliche Informationen zur Unternehmensstrategie, zu Chancen und Risiken und Prognosen. Damit wächst die Relevanz der Berichtsinhalte für die Unternehmenskommunikation. Die Möglichkeiten einer Integration in ein ganzheitliches Kommunikationsmanagement werden jedoch von den Unternehmen bislang kaum genutzt.


Ziel einer aktuellen Studie der Universität Leipzig war es daher, gleichermassen konkrete Potenziale des Reportings für die Kommunikationspraxis sowie, damit einhergehend, Chancen und Herausforderungen einer Einbindung in das Kommunikationsmanagement aufzuzeigen. Die Analyse basiert auf vier Case Studies, jeweils in Unternehmen aus dem DAX sowie SMI. Die Fälle wurden, basierend auf einer Literaturanalyse sowie Experteninterviews, als Best Practices identifiziert und in vertiefenden Interviews analysiert. Jeder der Fälle repräsentiert einen spezifischen Integrationsansatz.


Beim Schweizer Biotechnologie- und Pharmaunternehmen Novartis fliessen beispielsweise die Ergebnisse einer umfangreich durchgeführten Stakeholderbefragung in die fundierte Materialitätsanalyse des Unternehmens ein, die daraufhin ein Steuerungs-Tool für die gesamte Unternehmensstrategie abbildet. Die Praktik bei Novartis zeigt, dass die in den Reports kommunizierten Analysen auch für die Unternehmenskommunikation weitreichendes Potenzial bieten, insbesondere in Hinblick auf den innerhalb der Disziplin viel propagierten Modus des Corporate Listenings. Auch bei der integrierten Kommunikationsplanung kann der Corporate Report eine wichtige Rolle spielen. So decken sich die Themen des Reportings bei Clariant passgenau mit der Agenda der internen und externen Kommunikation. Die Orchestrierung aller Kommunikationskanäle erfolgt hier zentralisiert über den Newsdesk des Unternehmens.


Beim deutschen Unternehmen Merck werden ausgewählte (CR-)Berichtsthemen gezielt in sozialen Medien sowie im Rahmen von externen Kampagnen ganzjährig kommuniziert, mit dem Ziel, relevante Stakeholder auf die Themen des Unternehmens aufmerksam zu machen. Insbesondere die voranschreitende Digitalisierung des Reportings fördert die weitergehende Nutzung der bereits bestehenden Inhalte – mehr noch, als dies bisher beim gedruckten Geschäftsbericht möglich war. Das Unternehmen Bayer schliesslich nutzt ebenfalls die Chancen der Digitalisierung und nimmt eine datenbasierte Evaluierung der Nutzung seines vollständig digital verfügbaren Unternehmensberichts vor. Die Erkenntnisse ermöglichen Anpassungen an eine zielgruppengerechte Kommunikation des Berichts sowie eine individualisierte Aufbereitung der Inhalte. Den einzelnen Nutzergruppen können so spezifische, für sie besonders relevante Berichtsinhalte vorgeschlagen werden.


Neben den unterschiedlichen Ansätzen einer Abstimmung von Corporate Reporting und Kommunikationsstrategie beleuchtet die Analyse die wesentlichen Chancen und Herausforderungen der Integration: Aus den Interviews wird deutlich, dass im Reporting ein ausgeprägter Fokus auf eine effiziente Prozessgestaltung liegt, die ausführliche Reflexion seines funktionalen Mehrwerts geniesst dabei häufig keine Priorität. Häufig erahnen die Verantwortlichen das Potenzial der Berichtsinformationen, beispielsweise für die Strategiekommunikation. Nicht zuletzt aufgrund fehlender Zeit oder Ressourcen sowie organisationaler Schranken findet die Hebung von Synergien in der Gesamtheit dennoch zu wenig statt.


Zusammenfassend zeigt die Analyse anhand von vielfältigen Case Studies, welche Chancen in der Verbindung von Reporting und strategischer Kommunikation schlummern. Das Reporting besitzt als jährlich wiederkehrender Prozess das Potenzial, die Zusammenarbeit zwischen diversen Funktionen, wie Investor Relations, Unternehmenskommunikation, Finanzen, Strategie und Nachhaltigkeit, als Katalysator voranzutreiben. Diese Zusammenarbeit bietet die Chance, thematische Prioritäten aus der Unternehmensstrategie abzuleiten und in allen beteiligten Funktionen zu verankern. Auch in kleineren Unternehmen kann der Corporate Report so einen wertvollen Beitrag für die tägliche Kommunikationsarbeit leisten, indem er beispielsweise als Anker für die interne Strategiekommunikation genutzt wird.


Folgende Handlungsempfehlungen lassen sich aus den Ergebnissen der Arbeit ableiten:

  • Betrachtung des Corporate Reportings als «Spiegelbild» gesellschaftspolitischer Entwicklungen – und damit als zentralen datenbasierten Informations-Hub für die Gesamtkommunikation 

  • Corporate Listening – strategische Unternehmenskommunikation auf Basis fundierter (Umwelt-)Analysen und rationaler Performancebilanzierung 

  • Interaktivität, Konnektivität, Controlling – Digitale Reports sind mehr als Tabellen. Als «Kommunikationsportale» bieten sie unter anderem vielfältige technologische Möglichkeiten für die gesamte Unternehmenskommunikation sowie deren Steuerung 

  • «Change through Reporting» – auf Basis eines erweiterten Reportingverständnisses kann eine stärkere abteilungsübergreifende Zusammenarbeit der involvierten Unternehmensfunktionen anvisiert werden und das Corporate Reporting somit als bedeutender Integrationstreiber fungieren


Sind Sie an weiteren Informationen zum Thema interessiert? Bei Fragen oder zur Vorbestellung einer geplanten Publikation der Ergebnisse wenden Sie sich gerne an das Center for Research in Financial Communication der Universität Leipzig (E-Mail: info@financialcommunication.org).

Autorenfoto_Yannick Schmiech.jpg

Yannick Schmiech ist Consultant bei Kirchhoff Consult in Hamburg. Er hat einen Master in Communication Management der Universität Leipzig und studierte zuvor im Bachelor Medienkommunikation an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg und der Deakin University in Melbourne. Im vergangenen Jahr absolvierte er unter anderem ein Praktikum beim Center for Corporate Reporting in Zürich.