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Financial Streamlining – Fokussierung als neuer Trend in der Finanzberichterstattung

Aktueller Trend

Mit dem «Financial Streamlining» zeichnet sich ein neuer Trend in der Finanzberichterstattung der Schweiz ab. Übersetzt werden kann «Financial Streamlining» auch als «Rationalisierung der Jahresrechnung». Diese Rationalisierung wird zunehmend nötig, wie ein Blick auf die Jahresrechnungen der Gesellschaften zeigt: Oftmals fehlt eine Struktur, welche die finanzielle Geschichte des Unternehmens repräsentiert. Fakt ist, dass die Finanzberichte in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt um rund 50% zugenommen und dabei oft komplett den Fokus auf die Leser verloren haben. Des Weiteren sei die Frage erlaubt, ob durch blosse Aufblähung der wirkliche Informationsgehalt für die Stakeholder gestiegen ist.
 

Gründe für den Status quo

Diverse Gründe für die Zunahme an Umfang und Komplexität und somit einhergehend relativ tiefer Aussagekraft für Aktionäre und andere Stakeholder sind schnell gefunden. Beispiele dazu sind „Es war schon immer so“ oder “Die Revisoren respektive das IASB sind daran schuld“ oder “Zu viel auszuweisen, wurde noch nie bemängelt“ wie auch “Niemand liest das Dokument“… Letzteres ist eine bedenkliche Entwicklung und zeigt die Notwendigkeit einer Überarbeitung. Natürlich gibt es eine Reihe von objektiveren Gründen wie unklare Standards oder stiefmütterliche Behandlung der qualitativen Wesentlichkeit.

Unternehmen in Australien haben als erstes erkannt, dass eine Gesamtüberarbeitung eine grosse Chance für das Unternehmen bietet, und haben 2014 mit Unterstützung von Experten begonnen, dem negativen Trend entgegenzuwirken Die Jahresrechnung soll als ein gern gelesenes und zentrales Kommunikationsinstrument gestaltet sein.
 

Jahresrechnung als Kommunikationsinstrument

Der Trend zur Modernisierung der Jahresrechnung hat erkannt, dass es zielführend ist, die Checklisten-Mentalität abzulegen und sich wieder vermehrt auf die Leser zu fokussieren. Ein oftmals Millionen teures Dokument zu erarbeiten, das nur der Compliance dienen soll, ist wenig sinnvoll. Die Jahresrechnung soll vielmehr ein Kommunikationsmittel für Unternehmen darstellen, das im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten wie dem Investor-Report den Stakeholdern ausreichend Informationen über die finanzielle Situation des Konzerns liefert. Dabei ist eine konsistente und untereinander abgestimmte Aussage wichtig. Darum muss jeder seine Botschaften mit Blick auf seine Dialoggruppen sorgfältig auswählen und zielgruppengerecht präsentieren. Wenn ein Unternehmen das beherzigt, gibt es seinen Investoren einerseits alle nötigen Informationen. Andererseits baut es sich den Ruf einer Organisation auf, die ihre Verantwortung gegenüber den Stakeholdern ernst nimmt.
 

Ziel von Streamlining

Wer Streamlining einführen möchte, muss sicherstellen, dass sich die Offenlegung verbessert. Die Verkürzung des Berichts (von 20 bis 30% Reduktion der Anzahl Seiten kann ausgegangen werden) ist dabei ein automatischer Output des Streamlining-Projekts. Mit dem Fokus auf die Leser und die Kernaussagen, anstelle von wahllosem Zusammensetzen von Regulationsartikeln, kann viel an irrelevanten Ausweisen reduziert werden.

Des Weiteren wird eine Homogenisierung der verschiedenen Berichte angestrebt, damit die finanzielle Geschichte eines Unternehmens stimmig und auf den Leser ausgerichtet erzählt wird. Es gilt dabei auch die Herausforderungen und Möglichkeiten der Moderne einzubeziehen, was u.a. durch einen hervorragenden Online-Auftritt der Finanzzahlen erreicht werden kann. Hier zu erwähnen ist der Konzern Georg Fischer, der Analysten und Investoren ein zusätzliches, sehr modernes und interaktives Analysespektrum online zur Verfügung stellt.

Die Entwicklung in der Finanzberichterstattung und der Trend zu Online-Reporting haben GF motiviert, den Finanzbericht zu „streamlinen“. Mit einem Design Thinking Ansatz haben wir die Anforderungen der Zielgruppen von Finanzberichten analysiert und in Folge den Inhalt sowie die Struktur des Finanzberichts überarbeitet. Ziel war es, die Offenlegung zu straffen und damit den Bericht leser- bzw. nutzerfreundlicher und weniger komplex zu gestalten; dadurch wurde auch die Qualität der offengelegten Informationen erhöht. Die Änderungen sind sehr positiv aufgenommen worden. Bisher hatten wir wesentlich mehr Besucher auf unserem Online Geschäftsbericht. Sowohl die Zeit, die auf unserer Seite verbracht wurde, als auch die Anzahl der besuchten Seiten sind angestiegen.
— Daniel Bösiger, Head Corporate Controlling / Investor Relations, Georg Fischer AG

Praxisrelevanz

Die Idee des Financial Streamlining stammt ursprünglich aus Australien. Dort haben seit 2014 rund 60% der börsennotierten Unternehmen ihre Finanzberichte umgestellt. Der Erfolg in Australien wurde auch in Europa erkannt und börsenkotierte Unternehmen haben mit der Überarbeitung ihrer Finanzberichte begonnen. In der Schweiz sind bisher sechs verschiedene Unternehmen bekannt, die bereits per 31. Dezember 2017 das Financial Streamlining vollzogen haben, so u.a. die Swisscom, Georg Fischer oder Komax.

Zudem hat das International Accounting Standards Board (IASB) die Notwendigkeit einer Modernisierung der Finanzberichterstattung identifiziert und in der «Disclosure Initiative» aufgenommen. Ergebnis dieser Untersuchung waren u.a. die Anpassungen des IAS 1 per 1. Januar 2016, welche die Relevanz, Wesentlichkeit und Struktur der Finanzberichte adressieren sollen. Die Swiss Exchange (SIX) hat die Vorteile einer verständlicheren Offenlegung ebenfalls erkannt – desgleichen das Potenzial des Streamlining von Finanzberichten.

Es ist unser Anspruch, den Aktionären, Analysten, Journalisten und weiteren Interessierten einen möglichst verständlichen Finanzbericht zu bieten. Da dieser in den vergangenen Jahren zunehmend komplexer wurde, entschieden wir uns für das Streamlining. Das Resultat ist ein entschlackter Finanzbericht, der auf die wesentlichen Informationen fokussiert. Wir haben den Bericht komplett neu strukturiert, Redundanzen entfernt und zudem durch mehrere Grafiken die Lesbarkeit verbessert. Das Feedback zu unserem „neuen“ Finanzbericht ist bis jetzt durchwegs positiv. Die Leser schätzen die klare Struktur und die hohe Verständlichkeit – Inhalte, die weggefallen sind, hat bisher niemand vermisst.
— Roger Müller, Vice President Investor Relations / Corporate Communications, Komax

Schritte zum Financial Streamlining

Für das Streamlining einer Finanzberichterstattung soll und darf es kein Standardkonzept geben. Basierend auf der Erfahrung eines Spezialisten in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen, namentlich dem CFO, Head of Finance sowie Head of Communication / Investor Relations wird das Streamlining-Konzept unternehmensspezifisch entwickelt.

Es ist empfehlenswert, auf die Erfahrung eines Streamlining-Experten zur adäquaten Umsetzung und Konformität mit der entsprechenden Rechnungslegung zurückzugreifen Als CCR-Firmenmitglied können Sie sich die Checkliste «Schritte zum Financial Streamlining» kostenlos unter info@corporate-reporting.com bestellen. Lesen Sie in der kommenden Ausgabe der «Reporting Times» einen Erfahrungsbericht zur Umsetzung des Financial Streamlining im aktuellen Geschäftsbericht der Swisscom. Bei Fragen helfen das CCR und die Autoren dieses Artikels gerne weiter.
 

Über die Autoren

 

Als Projektleiter ist Benjamin Kaltwasser für die Weiterentwicklung des Dienstleistungsangebots sowie für Marketing und Kommunikation des Center for Corporate Reporting (CCR) verantwortlich. Er unterstützt unsere Mitglieder und das CCR-Team zudem bei inhaltlichen Fragestellungen als Knowledgemanager und Consultant.

 

Daniel Rüdisüli ist Partner bei Swiss KMU Partners. Als eidg. dipl. Wirtschaftsprüfer mit mehrjähriger internationaler Erfahrung hat er sich auf Corporate Reporting Fragestellungen bezüglich IFRS, Swiss GAAP FER sowie OR spezialisiert.