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Krise als Boost für die Digitalisierung in der Finanzkommunikation?

Corona hat uns überrascht. Plötzlich war Digitalisierung nicht mehr die Ausnahme, sondern Standard. Wie unter einem Brennglas konnten wir beobachten, was doch möglich ist und welche Faktoren bei der Durchsetzung von digitalen Standards wohl die stärksten Treiber sind.


von Monika Kovarova-Simecek


Die technologische Möglichkeit alleine ist noch kein Garant für ihre Umsetzung. Das offenbart sich nicht zuletzt in der verhältnismäßig langsamen Durchsetzung digitaler Ansätze in der Finanzkommunikation. Und dass auch die regulatorischen Motivationsversuche durch die Schaffung eines entsprechenden rechtlichen Rahmens, z.B. für die Abhaltung einer Hybrid-Hauptversammlung, oder gar der Druck von Seiten des Gesetzgebers, z.B. in Form eines verpflichtenden digitalen Berichtsformat, zu keinem flächendeckenden Durchbruch in der digitalen Finanzkommunikation führten, ist sehr offenkundig geworden. Es ist vielmehr die gelebte Norm, die den notwenigen Druck erzeugt und Änderungen vorantreibt. Genau dieser Effekt zeigt sich auch jetzt, in der Pandemie, in der digital nicht mehr die Ausnahme ist, sondern über Nacht für alle zum Standrand wurde und eine in Unternehmen bis dahin ungeahnte digitale Affinität an den Tag beförderte und Umsetzungskräfte mobilisierte.

Für Investor Relations war die Phase besonders kritisch. Ausgerechnet dann, wenn die meisten Unternehmen den Geschäftsbericht veröffentlichen und die meisten Hauptversammlungen abgehalten werden, konnten die gewohnten Wege nicht gegangen werden. Und das, während der Druck des Kapitalmarktes angesichts der schwankenden Kurse und negativer Prognosen immer größer wurde. Die Notwendigkeit adäquater, sprich digitaler Anlegerkommunikation erkannten sowohl der Gesetzgeber als auch die Unternehmen. Durch die Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Verordnung, die in Österreich am 27.3.2020 verabschiedet wurde (analoge Regelungen finden sich auch in der Schweiz, in Deutschland und in anderen EU-Ländern), wurde die rechtliche Grundlage für eine Online-​Hauptversammlungen ohne Präsenzveranstaltung geschaffen und die Abhaltung der HV durch die Möglichkeit der digitalen Stimmrechtsausübung und Bevollmächtigung sowie digitaler Fragemöglichkeit stark erleichtert. „Auf unbestimmte Zeit verschoben“ haben die HV nur die wenigsten Unternehmen. In Österreich wagten rund 68% den Schritt einer virtuellen Hauptversammlung (siehe hauptversammlung.at). Überraschend ist dabei allerdings, dass die Liste nicht von ATX-Unternehmen dominiert wird. Von den insgesamt 20 im ATX gelisteten Aktiengesellschaften gingen nur 7 den virtuellen Weg, die überwiegende Mehrheit hat sich für eine Präsenz-HV zu einem späteren, teils noch unbekannten Zeitpunkt entschieden.

Die virtuelle Hauptversammlung kommt gut an. Das ist wenig überraschend. Auch bei den verhältnismäßig wenigen Hydrid-Hauptversammlungen, die vor der Corona-Krise im DACH-Raum abgehalten wurden, war eine hohe Akzeptanz der Online-Teilnahme bei den Anlegern gegeben und ein anhaltendes Wachstum des Formats zu beobachten. Die durch die Pandemie geschaffene Erleichterung hatte aber zweifelsohne eine trendverstärkende Wirkung. Analog kann auch die Verlagerung von Roadshows und Konferenzen auf die digitale Schiene beobachtet werden. Die Vor- und Nachteile – gemessen an ihrer Wirkung – können in dieser Kurzfristigkeit kaum beurteilt werden, der positive ökologische Beitrag des virtuellen Zugangs ist aber jetzt schon abschätzbar. Aber auch interne Prozesse, welche den außenwirksamen IR-Events zugrunde liegen, mussten neu gedacht, konzipiert, organisiert und umgesetzt werden. Dabei kamen Cloud-Anwendungen, neue Softwarelösungen, Videoconferencing und Mobile Devices stärker zum Einsatz und Homeworking wurden zur neuen Realität. Dieser Bruch zeigte, dass neue Lösungswege möglich und in mancher Hinsicht vielleicht doch effektiver und effizienter sind als ausgetretene Pfade.

Dass die Bewährungsprobe des Digitalisierungsfortschrittes in der Finanzkommunikation eine Pandemie sein wird, hätten wir nicht ahnen können – und wohl auch nicht ahnen wollen. Doch gerade die Corona-Krise zeigt, dass die proaktive Auseinandersetzung mit sich so klar abzeichnenden Entwicklungen wie der Digitalisierung der bessere Weg war. Jene Unternehmen, die Digitalisierung nicht auf die lange Bank geschoben haben, sondern das Thema frühzeitig adressierten, waren jetzt weniger überrascht und überfordert. Aber in jeder Krise steckt auch die Chance der Erkenntnis. Diese könnte lauten: Ohne eine Corporate Digital Strategy – und zu einer solchen gehört unweigerlich auch die Realisierung einer digitalen Finanzkommunikation – werden Unternehmen künftig kaum überzeugen können.

Der Österreichische Corporate Governance Kodex sieht vor, dass der Aufsichtsrat einer Gesellschaft den Vorstand „insbesondere bei Entscheidungen von grundlegender Bedeutung“ unterstützt. Darüber, dass Digitalisierung für Unternehmen ein Thema von grundlegender Bedeutung ist, bestehen spätestens seit der Corona-Pandemie keine Zweifel mehr. Die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Überlebenssicherheit eines Unternehmens hängen von seiner Anschlussfähigkeit an den digitalen Wandel ab. Dieser Wandel ist umfassend und impliziert Fragen des Datenmanagements und der Automatisierung von Prozessen genauso wie der digitalen Kommunikation und Kollaboration mit der Außenwelt. Und zu dieser zählen auch die Finacial Community mit all ihren Akteuren.

FH-Prof. Mag. Monika Kovarova-Simecek

FH-Prof. Mag. Monika Kovarova-Simecek

FH-Prof. Mag. Monika Kovarova-Simecek leitet den Studiengang Wirtschafts- und Finanzkommunikation an der FH St. Pölten. Zu ihren Themenschwerpunkten zählen Digitale Finanzkommunikation, Financial Literacy und Finanzjournalismus. Sie ist Initiatorin des Österreichischen Symposiums für Wirtschafts- und Finanzkommunikation.