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Meinungsbeitrag: Die Welt mit Gesetzesvorschriften besser machen?

Was kann falsch daran sein, die Welt zu einem besseren Ort zu machen? Grundsätzlich nichts. Es entspricht einem natürlichen menschlichen Bedürfnis. Auch Unternehmen wollen deshalb ihren Teil dazu beitragen. Dabei bestehen durchaus Marktanreize, sich mit gesellschaftlichen Fragen zu beschäftigen, denn die Gesellschaft hat klare Erwartungen an die Wirtschaft. So positionieren sich Unternehmen nicht mehr als gesichtslose Körper, sondern als fürsorgliche «Brands», die sich Gedanken darüber machen, was die Kunden beschäftigt. Und diese machen sich immer mehr Gedanken über soziale und globale Fragen und erwarten von Unternehmen dasselbe. Dies zeigt auch die aktuelle Umfrage des Schweizer Gemeinwohlatlas (gemeinwohl.ch), der zufolge 92 Prozent der Bevölkerung eine klare Meinung haben: Unternehmen haben eine Verantwortung, zum Gemeinwohl beizutragen. Wie wird man nun dieser Erwartungshaltung gerecht und wie konsequent fordern die Kunden diese auch ein?

Weltverbesserung per Gesetz

Auf Seiten der Politik sieht man sich ebenfalls in der Verantwortung, je eingrenzbarer ein Thema ist. So auch in der EU, wo in Sachen Nachhaltigkeit nun die Daumenschraube für Unternehmen angezogen wird. Ab diesem Geschäftsjahr müssen aufgrund einer EU-Richtlinie (Richtlinie 2014/95/EU) alle Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden, die im öffentlichen Interesse stehen, jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht abliefern. Sie müssen detailliert über ihre Aktivitäten im ökologischen und sozialen Bereich berichten. Die nationale Umsetzung ist in vollem Gange. Europaweit beschäftigen sich Tausende von Unternehmen mit den entsprechenden Berichtsstandards, unabhängig davon, ob diese Unternehmen bisher ein soziales Gewissen hatten oder nicht. Ob dies zu einer besseren Welt führt, ist offen. Es führt auf jeden Fall zu einer aufwändigeren Welt. Wieso aber wird immer wieder zum Mittel der Gesetzesvorschrift gegriffen? Der Zweck eines Gesetzes ist es grundsätzlich immer, ein Verhalten entweder zu beschränken oder zu erzwingen. Es ist auch immer ein Eingriff in die Freiheit. Dieser rechtfertigt sich aber nur dann, wenn ein gesellschaftlicher Nutzen vorhanden ist. Minimalstandards können durchaus Anreiz sein, sich zu bewegen. Ein nachhaltiger Motivator ist ein Gesetz nie. Die Frage sei erlaubt, ob die Politik deshalb mit derartigen Vorschriften nicht selbst ihr Image als Weltverbesserer aufpoliert.

Eine Frage des Vertrauens

Ohne Zweifel sollten schwere Fälle sozialer Ungerechtigkeit, die Verletzung von Menschenrechten oder die Missachtung umweltrechtlicher Bestimmungen bestraft werden. Es sei aber die Frage erlaubt, ob es Aufgabe des Gesetzgebers ist, den Unternehmen vorzuschreiben, wie und in welcher Form sie ihre gesellschaftliche Verantwortung publik machen sollen. Darum geht es, verkürzt gesagt, bei der gesetzlich verordneten Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sollten die Kunden ihre Erwartungshaltung gegenüber den Unternehmen nicht stärker einfordern? Erstere können ja selber entscheiden, welchem Unternehmen sie ein echtes Streben nach Nachhaltigkeit zutrauen. Es wäre ein stärkerer Anreiz zu echten Veränderungen als eine Regulierung. Nun ist es aber so, dass die Welt so komplex ist, dass kein Kunde Experte in allen Belangen sein kann. Anstatt Druck auszuüben, vertraut er lieber darauf, dass sich Unternehmen selbstmotiviert entsprechend verhalten. Der deutsche Psychologe Niklaus Luhmann umschreibt dies so: Vertrauen ist ein Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität.

Gesetze führen zu solch einer Reduktion der Komplexität. Der Kunde wird damit von seiner Selbstverantwortung entbunden. In diesem Sinne schaffen Gesetze durchaus ein gewisses Vertrauen, was auch vielen Unternehmen gelegen kommt. Das Erfüllen und Abarbeiten von vorgeschriebenen Standards verleiht einem nämlich das amtlich geprüfte Siegel des Vertrauens. Führt es aber auch zu einem echten Umdenken und einer echten Verhaltensänderung? Nur wenn dieser Vertrauensvorschuss als Grundlage für ein Umdenken genutzt wird und nur dann, wenn der Kunde dem Gesetz nicht blind vertraut. In der Praxis darf die Nachhaltigkeit deshalb bisweilen angezweifelt werden. So haben zum Beispiel auch die schönsten und umfangreichsten Umwelt- und Nachhaltigkeitsberichte den Dieselskandal in der deutschen Automobilindustrie nicht verhindert.

Handeln statt vertrauen

Der Unterschied zwischen Gesetzen und Selbstregulierung bzw. Selbstantrieb ist vergleichbar mit der Motivation von Menschen. Intrinsisch motivierte Menschen sind auf lange Dauer zufriedener als extrinsisch motivierte. Dies zeigt auch die ganze Entlöhnungsthematik. Ein nachhaltiger Beitrag zum Gemeinwohl kann deshalb nur geleistet werde, wenn man aus Überzeugung agiert. Unternehmen tun dies aber nur, wenn sie dafür vom Markt belohnt werden. Und hier liegt die Krux: Der Kunde sollte bei Kaufentscheidungen konsequenter handeln, anstatt auf Gesetze zu vertrauen. Aber sind wir wirklich bereit, unsere Erwartungshaltung gegenüber Unternehmen auch in Taten umzusetzen? Wenn nicht, müssen wir damit leben, dass Gesetze die Welt nicht unbedingt besser machen. Der durch sie ausgelöste Placebo-Effekt wird aber zumindest dazu führen, dass wir uns eine Zeit lang besser fühlen.

 

Dominik Marbet ist seit 2015 Leiter External Communications der Baloise Group. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet er als Kommunikationsmanager in der Unternehmenskommunikation in der Privatwirtschaft sowie in einem Wirtschaftsverband. Er studierte Rechtswissenschaft an der Universität Basel und besitzt einen Abschluss als Executive Master of Science in Communications Management der Universität Lugano.