Unternehmerische Nachhaltigkeit: Mit Vorgaben von aussen zur Transformation von innen
Nachhaltigkeit in der Schweizer Wirtschaft wandelt sich vom Trend zur Notwendigkeit. Gesetzliche Vorgaben wie die CSRD und CSDDD treiben Unternehmen dazu, sich ökologisch und sozial verantwortungsvoll aufzustellen. Doch diese Vorschriften bieten auch Chancen: Sie können Innovationen fördern, Wettbewerbsvorteile sichern und neue Märkte erschliessen.
von Franziska Kleinbreuer
August 2024
In den letzten Jahren hat sich das Bewusstsein für die Notwendigkeit nachhaltiger Geschäftspraktiken in der Schweizer Wirtschaft deutlich geschärft. Unternehmen sehen sich nicht nur zunehmendem öffentlichen Druck ausgesetzt, ihre Geschäftspraktiken ökologisch und sozial verantwortungsvoll zu gestalten. Auch die Gesetzgebung entwickelt sich weiter und schafft Vorgaben, die Nachhaltigkeitskriterien verankern und deren Einhaltung überwachen. Mit CSRD und CSDDD kam die Gesetzgebungsmaschine gerade auf europäischer Ebene in Gang und gibt auch die Richtung für Schweizer Unternehmen vor.
Dennoch bedeutet nachhaltiges Wirtschaften weit mehr als die Einhaltung von Nachhaltigkeitsgesetzen und Berichterstattungspflichten. Die neuen Gesetzesgrundlagen sind nicht als Hindernisse zu verstehen, sondern vielmehr als Chancen, um Innovationen zu fördern, Entscheidungsspielräume zu schaffen und neue Märkte zu erschliessen. Unternehmen, die frühzeitig auf diese Entwicklungen reagieren, bleiben langfristig zukunftsfähig und sichern sich Wettbewerbsvorteile. Nachhaltigkeit schafft die Existenzgrundlage unserer Wirtschaft und zeigt gleichzeitig neue Perspektiven für Geschäftsmodelle auf.
Chancen zeigen sich in der Umsetzung
Dieser Blickwinkel wird nicht nur in theoretischen Überlegungen deutlich, sondern insbesondere in der Praxis: So geht die Berichterstattung mit einer umfangreichen Datensammlung und -analyse einher. Um diese Verpflichtung mittelfristig nicht zur Belastung für Ressourcen werden zu lassen, ist es hilfreich, aus den Exceltabellen auszusteigen und die Digitalisierung des Datenmanagements voranzutreiben. Die Daten, die jetzt nach aussen getragen werden müssen, führen intern beispielswiese zu besseren Einblicken in die Beschaffungsprozesse und Lieferketten. Wo sind die grössten Ressourcenfresser im Energie- und Materialverbrauch, wo werden unverhältnismässig viele Kosten verursacht und wo liegen potenzielle Verfügbarkeitsrisiken? Diese Einblicke in nachhaltige Technologien und Prozesse führen nicht nur zu einer Reduktion der Umweltbelastung, sondern auch zu Kosteneinsparungen, einer stärkeren Wettbewerbsfähigkeit und neuen Innovationskraft.
Klimarisiken erkennen und handeln
Nicht nur die Berichterstattung schafft Anwendungsfälle, die die Chancen unternehmerischer Nachhaltigkeit aufzeigen. Auch im Umfeld des Klimarisikomanagements zeigen sich neue Handlungsmöglichkeiten. Physische Klimarisiken, die beispielsweise durch zunehmende Extremwetterereignisse entstehen, können einen grossen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit und auf die gesamte Weltwirtschaft haben. Nach Berechnung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) drohen in Folge der Erderwärmung bis Mitte des Jahrhunderts Einkommensverluste von rund einem Fünftel - selbst wenn der Ausstoss klimaschädlicher Gase drastisch gesenkt wird. (Quelle: nature.com)
Anbieter, wie z.B. CLIMADA Technologies, entwickeln Technologien, die es Unternehmen ermöglichen, diese Risiken frühzeitig zu erkennen und entsprechende Massnahmen zu ergreifen. Durch den Einsatz von Cloud Computing und Künstlicher Intelligenz können Unternehmen ihre individuellen Risiken besser managen, Kosten senken und neue strategische Ansätze entwickeln.
Biodiversität: Ein unterschätzter Faktor
Ähnlich verhält es sich mit der Biodiversität. Der Erhalt von Arten, Lebensräumen und -formen hat nicht nur eine zentrale Bedeutung für das Ökosystem, sondern steht auch in einem engen Zusammenhang mit dem Klimawandel. Ein Beispiel: Der Rückgang der Mangrovenwälder in Südostasien um 28 % zwischen 1980 und 2002 zugunsten der kommerziellen Garnelenzucht führte nicht nur zu einem Verlust der Biodiversität, sondern erhöhte auch die Anfälligkeit an Land für Naturkatastrophen wie Tsunamis und Wirbelstürme. (Quelle: WWF)
In Zukunft werden nicht nur gesellschaftliche und unternehmerische Risiken im Bereich Biodiversität zunehmen, sondern auch regulatorische Anforderungen. Unternehmen, die ihren Biodiversitätsfussabdruck und die Zusammenhänge zwischen Klima und Biodiversität sowohl in der Schweiz als auch entlang der Lieferkette verstehen und reduzieren, sind besser auf Regulierungen vorbereitet. Zudem stärkt eine erfolgreiche Biodiversitätsstrategie die Markenreputation, verbessert die Datenlage für das Reporting und erhöht die Attraktivität für Investor:innen.
Herausforderungen gemeinsam bewältigen
Die Umstellung auf nachhaltige Geschäftsmodelle erfordert erhebliche Investitionen und einen tiefgreifenden Wandel in der Unternehmenskultur. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen benötigen Unterstützung, um diese Transformation erfolgreich zu bewältigen. Staatliche Förderprogramme, Partnerschaften und Netzwerke spielen eine entscheidende Rolle, um den Wissenstransfer zu erleichtern und den Zugang zu den notwendigen Ressourcen sicherzustellen.
Das Forum ö, die Jahreskonferenz des Verbandes für nachhaltiges Wirtschaften (öbu), setzt in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf genau diese Unterstützungsangebote und zeigt, wie Unternehmen die Chancen des nachhaltigen Wirtschaftens erkennen und nutzen können.
Quo vadis nachhaltige Wirtschaft?
In Workshops, Keynotes und Dialogformaten mit sustainserv, EBP oder CLIMADA Technologies greift die Jahreskonferenz des nachhaltigen Wirtschaftens, das Forum ö, die zukunftsentscheindenden Fragen der unternehmerischen Nachhaltigkeit auf – von Klimarisikomanagement bis zur Biodiversität. Die Veranstaltung bringt bis zu 200 Teilnehmende aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen, um über vorausschauende und zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu diskutieren, die die Perspektiven einer nachhaltigen Ausrichtung erkennen. Informationen unter forum-oe.ch.
Franziska Kleinbreuer
ist Kommunikationsverantwortliche bei öbu, dem Verband für nachhaltiges Wirtschaften. Nach ihrem Studium in Wirtschaftspsychologie mit Schwerpunkt Marketing war Sie im Bereich Klima- und Nachhaltigkeitskommunikation beim ETH Spin-off Climeworks sowie beim Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie tätig.