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Teilrevision der RLCG mit «Opting In» bezüglich Nachhaltigkeitsberichterstattung

Nach dem sich weltweit eine sehr grosse Zahl von Börsen zur Sustainable Stock Exchange Initiative (SSE) zusammengeschlossen haben, hat die SIX, welche nicht Mitglied der SSE ist, am 2. Juni 2017 mit Wirkung auf den 1. Juli 2017 eine Teilrevision der RLCG bekanntgegeben. Diese soll Emittenten, die einen Nachhaltigkeitsbericht gemäss einem international anerkannten Standard oder einem Rahmenwerk wie dem UNCG publizieren, ermöglichen, sich im Sinne eines «Gütesiegels» qua «Opting In» in Zukunft zu einer anerkannten Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verpflichten.

Zweck der Teilrevision

Die international gestiegene Sensibilisierung für fundamentale globale Entwicklungen lassen der Nachhaltigkeitsfunktion eines Unternehmens zunehmend strategische Bedeutung zukommen. Letztlich geht es dabei um die gesellschaftliche Akzeptanz eines Unternehmens („License to operate“). Das Regulatory Board hat diese Thematik in einer Mitteilung vom 2. Juni 2017 aufgegriffen und die RLCG sowie die Richtlinie Regelmeldepflichten (RLRMP) per 1. Juli 2017 in Bezug auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung teilrevidiert. Damit wird es für Investoren, welche sich für an der SIX gehandelte Gesellschaften interessieren, sehr einfach herauszufinden, welche Gesellschaften Nachhaltigkeitsinformationen publizieren.

Opting In

Mittels Opting In haben die Emittenten neu die Möglichkeit, der SIX zu melden, dass sie einen Nachhaltigkeitsbericht gemäss einem international anerkannten Standard oder Rahmenwerk erstellen. Die SIX veröffentlicht diese Information online und bezweckt damit eine Art „Gütesiegel“ für die Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung eines Emittenten. Gemeint ist damit nicht der Inhalt des Nachhaltigkeitsberichts, sondern der Prozess der Berichterstattung. Dies bietet die Chance, sich als Unternehmen gezielter zu positionieren und die Reputation zu stärken. Den Investoren kann diese zusätzliche Information nützen, weil auch nicht-finanzielle Indikatoren, wie sie dem Nachhaltigkeitsbericht zu entnehmen sind, die Ertragskraft des Emittenten in der langen Frist beeinflussen. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung kann daher als Teil eines integrierten Reportings gesehen werden.


Wer sich für das Opting In entscheidet, verpflichtet sich, den Nachhaltigkeitsbericht gemäss einem von der SIX anerkannten Standard zu erstellen und auf der Website während fünf Jahren zu publizieren. Wer vom Opting In keinen Gebrauch macht, kann selbstverständlich weiterhin freiwillig einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen oder bestimmte Themen der Nachhaltigkeit im Geschäftsbericht thematisieren, ohne dies der SIX zu melden.

 

Anerkannte Standards

Die SIX anerkennt gegenwärtig internationale Richtlinienwie die Global Reporting Initiative (GRI) und das Sustainability Accounting Standards Board SASB, welches einen Rahmen für SEC-registrierte Gesellschaften für deren nicht-finanzielle wesentlichen Nachhaltigkeitsinformationen im Rahmen von 10-K und 20-F entwickelt hat. . Für Immobiliengesellschaften sind die Best Practices Recommendations on Sustainability Reporting der European Public Estate Association (EPRA Sustainability BPR), welche auf GRI-Zusatzrichtlinien basieren, anerkannt. Daneben wird auch das Rahmenwerk des UN Global Compact anerkannt. UNGC ist eine freiwillige Verpflichtung zu zehn Geschäftsprinzipien, welche eine jährliche Verpflichtung zu ‘Communication on Progress’ nach sich zieht. Allerdings ist eine Gesellschaft in der Ausgestaltung dieser UNGC-Berichterstattung völlig frei.
Die SIX lässt offen, welche Form ein solcher Bericht haben muss. Da viele Unternehmen davon abgekommen sind, jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht im PDF-Format bereitzustellen, sondern die meisten Informationen im HTML-Format darstellen und einfach jährlich aktualisieren, wird die Aufbewahrungspflicht ein wichtiger Faktor sein beim Entscheid, das Opting In zu wählen oder nicht. Ebenfalls offen lässt die SIX, wie die Überprüfung ausgestaltet sein wird, sofern eine Gesellschaft das Opting In wahrgenommen hat.

Erste Zahlen

Von den im SMI Expanded abgebildeten 50 börsenkotierten Unternehmen publizieren ca. 70% einen vollständigen Nachhaltigkeitsbericht, die allermeisten davon berufen sich auf GRI, ca. 20% der Unternehmen weisen Ansätze einer Nachhaltigkeitsberichterstattung auf und nur gerade bei 10% ist keine entsprechend Publikation sichtbar. Ein Opting In hat bisher von den 20 im SMI abgebildeten Unternehmen gerade einmal ein einziges Unternehmen Gebrauch gemacht (Compagnie Financière Richemont), und von den 30 weiteren, im SMI Expanded zusätzlich abgebildeten Unternehmen ebenfalls nur ein einziges Unternehmen (Sonova). Da die Neuerung durchaus überraschend kam, ist davon auszugehen, dass die interessierten Unternehmen erst in den kommenden Monaten – auch mit Blick auf das Verhalten der übrigen kotierten Unternehmen – eine Meinung zum Opting In bilden werden. Dabei wird sicher auch eine Rolle spielen, ob eine externe Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung erfolgt oder nicht.

 

Ines Pöschel ist Rechtsanwältin und Partnerin von Kellerhals Carrard. Sie ist Mitglied von Verwaltungs- und Stiftungsräten und engagiert sich als regelmässige Referentin an namhaften Hochschulen. Ines Pöschel ist auch Mitglied der eidgenössischen Expertenkommission für das Handelsregister und ist spezialisiert in den Bereichen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, Corporate Governance sowie M&A-Transaktionen von privaten und börsenkotierten Gesellschaften.

 

Dr. Thomas Scheiwiller, Scheiwiller Impacts, Independent Advisor & Board Member. Er ist ein international bekannter Experte in den Gebieten Governance, Integrität, Compliance und Sustainability. Er arbeitet hauptsächlich als Berater von grossen multinationalen Unternehmen in Europe und als Strategie-Coach für Beratungsunternehmen. Thomas Scheiwiller ist Mitglied in den Beiräten von sosense, Cornerstone Capital, Social Value and Intangibles Review SVIR, Mitglied des Corporate Sustainability Committee bei Roche, Jury-Mitglied des Klimapreises der Zürich Versicherung und Mitglied der SASB Alliance.